Statt Pardubice
diesmal in die Hauptstadt
Nach längerer
Zeit, genauer gesagt seit dem Turnier in der Pfalz im März, spielten
wir mal wieder ein Open. „Wir“ heißt auch in diesem Fall Sebastian
mit mir als Manager, diesmal noch ergänzt durch unseren Klubkameraden
Maik. Ich wollte ursprünglich selbst auch ans Brett, aber entschied
mich dann doch dazu, die Zeit in Prag besser als Urlaub zu nutzen.
Anreise in Prag war
am Freitag. Wir kamen noch relativ gut durch und bezogen am frühen
Abend unser Appartement in der Hauptstadt. Ein schickes Ding in einem recht
neu aussehenden Hochhauskomplex mit Tiefgarage und Terrassennutzung. Wir
konnten uns also selbst verköstigen. Nur den lt. unserem Vermieter
Vadim angepriesenen guten Kaffee fanden wir vor Ort nicht vor. Aber wir
sind immer gut ausgerüstet.
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In diesem modernen
Hochhauskomplex befand sich
unsere Anlage. Insgesamt
waren es fünf Türme.
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3,5 km waren es zum
Spielort, einem schön klimatisierten Hotelsaal. Die üblichen
33 Grad waren in Tschechien aber sonst wieder mal allgegenwärtig.
Es waren knapp 300 Leute in zwei Open, unsere Kämpfer spielten im
A-Turnier. Sebastian war an Rang 46 gesetzt, es waren aber nur zwei Leute
mit über 2500 Wertungspunkten dabei. Die Runden wurden immer um 16
Uhr gespielt, bis auf eine Doppelrunde am Sonntag, um auf 9 zu kommen.
Bedenkzeit: Fischer kurz.
Das führte zu
folgendem klassischen Tagesablauf: 16 Uhr Runde, danach Nachbereitung,
Essen, vielleicht etwas Sport, Vorbereitung und Entspannung. 2 Uhr Nachtruhe.
Nächsten Tag 10 Uhr hoch, Frühstück, Vorbereitung, Spaziergang
etc., Essen, Entspannung und dann ab zur Partie.
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Analyse-Arbeitsplatz
am Fenster
unseres Appartements
im 12. Stock.
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Runden 1 - 4
Samstag - Montag
Wer mitgezählt
hat: 3 Tage, 4 Runden. Ja, der Sonntag war der einzige Tag mit einer Doppelrunde.
Sebastian gelangen zum Auftakt zwei klare Siege gegen Leute bis 2050. Dies
sollte sich auch im Turnierverlauf nicht ändern - die schwächeren
Gegner wurden recht deutlich besiegt. Hilfreich war dabei auch die jeweils
gute Vorbereitung, die in Prag immer zuverlässig war. So konnte Bast
z.B. in Runde 2 gegen eine WFM ein vorbereitetes Figurenopfer auf
das Brett bringen.
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Sebastian - Laurincova
Weiß am Zug
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Das ist eine wunderbare
Ausgangsstellung - ab der man gerne bereit ist, eigenständig mit dem
Spielen anzufangen. Aber die Vorbereitung war ja auch eigenständig.
Der Gegner hat sich bereits den Kopf zerbrochen und ist eine Stunde auf
der Uhr hinten, während man noch aus dem Gedächtnis spielt. Bast
wählte hier Df7.
In Runde 3 wartete
ein IM mit 2460 Punkten, Sebastian hatte Weiß. Es lief vielleicht
nicht ganz nach Wunsch, aber auch nichts Schlimmes war passiert, als nach
18 Zügen die folgende Stellung erreicht wurde:
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Sebastian - IM
Cernousek
Weiß am Zug
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Scheinbar steht Schwarz
langfristig etwas besser, auch wegen seines Läuferpaares. Wenn er
schon nicht besser steht, so kann er doch zumindest - zudem als besserer
Spieler - hier noch lange kneten. Der Computer jedoch sieht es anders und
sympathisiert eher etwas mit Weiß, etwa einen halben Bauern ist ihm
die Stellung wert. Der Meister bot hier ein Remis an, was Sebastian annahm.
Es folgte ein tschechischer
GM, gegen den Sebastian vor vier Jahren in Pardubice schon mal Remis gemacht
hatte. Damals war der GM etwas angesäuert, da er ein paar Runden vorher,
als er neben Sebastian saß, etwas von einem Wasser abbekam, was unser
Kämpfer umgeworfen hatte. Nun also in Prag saß man sich wieder
direkt gegenüber. Doch auch dieser Sicherheitsabstand bewahrte den
Meister nicht vor einer weiteren Dusche: Bast öffnete ein Getränk,
welches übersprudelte und sich auf DGT-Brett und Gegnerhose ergoss.
Der Blitz schlägt also doch zweimal in dieselbe Stelle, und Bast konnte
also den Meister erneut nassmachen!
Nach Säuberung
des Brettes ergab sich - irgendwann - folgende Lage:
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GM Neuman - Sebastian
Schwarz am Zug
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Der GM mit Weiß
hat etwas Raum, aber vielleicht sind die Bauern auch mal anfällig.
Das Läuferpaar kann auch jederzeit halbiert werden. Bast hat vernünftige
Züge: Sxb2 oder Sc3, mit a5 den Bauern b4 stützen oder das Zentrum
anknabbern mit f6. Es folgte jedoch: 21. … c6. Will das Zentrum
stabilisieren, bzw. stellt sich gegen weißes d5 auf und schränkt
den Lg2 ggf. etwas ein. Nach 22. Le4 folgte dann jedoch … Dc8?
Ein taktischer Klopps, der 23. Lxh7 mit Bauernverlust übersah.
Nach … Kxh7 24. Dc2+ Kg8 25. Dxa4 sah es dann so aus:
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GM Neuman - Sebastian
Schwarz am Zug
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Ok, ein Bauer war weg,
aber nun musste man sich auf die Hinterbeine stellen. „Misery loves company“
wussten aber bereits Bourgeois Tagg in ihrem 80er Hit I don’t mind at all,
und der Oldenburger verschlimmerte hier nur seine Lage mit … f6.
Nach d5 ging es dann schnell bergab. Eine Null, mit Schwarz gegen
GM aber kein Beinbruch. Ob es Sebastian nichts ausmachte, weiß ich
nicht, ich empfehle aber dennoch den Genuß der o.g. Perle aus dem
Indie-Bereich.
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Das Spielhotel
war ein ziemlicher Klotz.
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Gekämpft
wurde zum Glück im Parterre.
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Unser Mitstreiter Maik
kämpfte am Anfang etwas auf verlorenem Posten. Er hatte viel trainiert
und wollte seine Zahl nun auf ein besseres Niveau heben, aber startete
mit 0,5 aus 4 gegen Leute im Bereich 2000-2100. Gerade in seiner Remispartie
stand er klar auf Gewinn, aber es war immer wieder auch mal die Zeitnot,
die am Ende die Ergebnisse diktierte. Hier eine interessante Stellung:
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Maik - Bouton
Weiß am Zug
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Hier geht 30. Sxa8,
und wenn Schwarz auf c2 nimmt, kommt Sc7! Dies greift den Turm an, anschließend
spielt Weiß Txc2 und deckt seinen Sc7. Maik nahm auch auf a8, aber
fand nicht Sc7. Dies war eine Partie, die nach einem Zeitnotfehler sogar
noch verloren ging.
Runden 5-7
Dienstag - Donnerstag
Diese Turnierphase
wurde z.T. überschattet durch ein gesundheitliches Malheur des Managers,
der sich dank der Hilfe seiner Mitfahrer und trotz des tschechischen Gesundheitssystems
aber dann in der zweiten Turnierhälfte wieder auf gutem Wege befand.
Sebastian gelangen in dieser Phase wieder zwei sehr deutliche Bestrafungen
Erfolge gegen 2000er. Wie er das so behandelt hat, zeigt beispielsweise
das folgende Partiefragment:
Sebastian
- Ouaki (2004)
Dazwischen lag allerdings
eine bittere Niederlage gegen einen 2300er. Sebastian hatte mit Schwarz
irgendwann etwas übertrieben und stand verdächtig. Der Gegner
wusste dies aber nicht auszunutzen, schließlich gab er auch noch
unberechtigt eine Qualität und Bast stand auf Gewinn. Aber er spielte
zu schnell und fand den Schlüsselzug nicht. Hier diese heikle Phase:
Simek
(2324) - Sebastian
Über diese schwarze
Null hätte sich vermutlich nur Wolfgang Schäuble gefreut. Sebastian
hatte zu diesem Zeitpunkt aber immer noch ein Plus mit seinen 4,5/7. Dies
wollte er aber in den beiden letzten Runden nochmal deutlich ausbauen.
Die Chancen kamen…
Maik ließ sich
nicht hängen in dieser Phase und erreichte drei Siege in Folge, unter
anderem gegen eine WFM mit 2000 ELO. Gegen einen weiteren Gegner stand
er allerdings auf Verlust, erreichte aber durch Komplikation Gegenspiel
und holte den ganzen Punkt. Er war danach hart im Plus. In Erinnerung blieb
mir die Partie gegen die Griechin Grapsa und die Schlußstellung:
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Maik - Grapsa
Schwarz am Zug
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Maiks Gegnerin hatte
von Anfang an wilde taktische Verwicklungen gesucht und dabei auf die Rochade
verzichtet. Maik bestrafte dies 30 Züge lang. Hier war nur noch ein
Zug notwendig für ihn bis zur Zeitkontrolle. Schwarz zog 39. …
Sxd4 und ich dachte nur „Na los, na los, Txf6+!“. Und der Zug
kam dann auch schnell. Aber es gewannen auch andere Züge.
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Blick in den Spielsaal.
Die Bretter 1-19 wurden
übertragen.
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Sebastian und
Maik bekommen auch
am Abend nicht genug
vom Schach.
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Runden 8 und 9
Freitag und Samstag
Zum Ende hin nochmal
eine gefühlte Doppelrunde: Freitag, 16 Uhr und dann am Abreisetag,
dem Samstag, morgens um 9 Uhr. Hab ich mal erwähnt, dass ich kein
Freund von Frühmorgen-Schach bin? Und dann vorher noch die Packerei.
Aber wir haben es noch ganz entspannt hinbekommen. Sebastian legte Freitag
noch eine späte Trainingseinheit hin und joggte zum Wenzelsplatz,
auch der war nur 5km entfernt. Unter anderem musste er sich die Partie
vom Nachmittag aus den Knochen laufen.
Gegen einen IM, der
nur bei 2339 stand, gab es ein theoretisches Eröffnungsduell. Das
System von Weiß war nicht gänzlich überzeugend, aber Sebastian
musste stark spielen, um es zu widerlegen. Schließlich hatte er einfach
einen Bauern mehr. Er hätte dies gewinnen sollen, zumindest war es
nicht gut, dass er selber noch am Ende das Remis sicherstellen musste:
Kulhanek
(2339) - Sebastian
Die Schlussrunde war
dann für die Spieler doch ganz entspannt, da der Manager die Unterkunft
regelte. Mit Weiß überspielte Bast seinen Gegner - aber es reichte
wieder nicht, nachdem der Gegner das Spiel erfolgreich verkomplizierte.
Am Ende war Sebastian in harter Zeitnot, Schwarz war nicht sehr viel besser
dran in dieser Hinsicht, und es hätte noch alles passieren können:
Sebastian
- Malassagne (2305)
Da wurde also am Ende
noch ordentlich was vergeben von Sebastian, um das Turnier rundherum erfolgreich
zu machen. Da deckt man selbst zwanzig Züge lang ein reichhaltiges
Buffet und am Ende kriegt man nicht ma Las(s)agne… Maik beendete sein Turnier
mit zunächst einem Remis und dann leider noch einer Null gegen Leute
aus dem mittleren 2000er Bereich. Schade um die letzte Partie.
Nach 4 Stunden war
der Samstag für uns zu Ende und es ging dann zurück nach Deutschland.
Die Rückfahrt war unproblematisch, trotz der 100km Baustelle auf der
A2. Am frühen Abend hatte uns Norddeutschland wieder.
Fazit
Ein eigentlich gelungenes
Turnier. Format war bewährt, eine Runde pro Tag, schnelle Auslosungen,
gute Unterkunft (selbst ohne Vadims berühmtem Kaffee). Bis auf die
Gebrechen des Managers kann man höchstens nochmal auf die Performance
schauen: Sebastian spielte viermal gegen schwächere Gegner (1900 -
2050), diese wurden klar vom Brett genommen. Kurzremis gegen 2460 - ok.
Schwarze Null gegen GM, wenn auch einer mit nur 2380 - passiert. Aber in
drei Partien Leute aus dem Bereich 2300 - 2350 waren zum Teil klare Gewinne
drin, und daraus konnte nur ein mageres Pünktchen gewrungen werden.
Das ist der Ansatzpunkt in der Partieanalyse. Dennoch blieb für Sebastian
ein Plus von etwa 20 Punkten, auch wenn er sich noch etwas mehr gewünscht
hat.
Maik konnte zufrieden
sein. 35 Punkte Zuwachs hieven ihn erst mal wieder über 1800, und
da gehört er definitiv auch hin. Auch die nächste Hunderterstufe
sollte eine Hürde sein, die er meistern kann. Die kämpferische
Komponente stimmte bei ihm, er ließ sich weder nach einem schlechten
Start entmutigen und auch nicht in schlechten Positionen.
Hier noch wie immer
der Link zur offiziellen Seite: Link
frank modder, 17.08.2020
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Sebastian und
ich an Brett 1.
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