- Summer Open, Prag, 2020 -
08.08. - 15.08.
 

Guter Kaffee in Prag
Bast macht GM nass
 
Statt Pardubice diesmal in die Hauptstadt

Nach längerer Zeit, genauer gesagt seit dem Turnier in der Pfalz im März, spielten wir mal wieder ein Open. „Wir“ heißt auch in diesem Fall Sebastian mit mir als Manager, diesmal noch ergänzt durch unseren Klubkameraden Maik. Ich wollte ursprünglich selbst auch ans Brett, aber entschied mich dann doch dazu, die Zeit in Prag besser als Urlaub zu nutzen.

Anreise in Prag war am Freitag. Wir kamen noch relativ gut durch und bezogen am frühen Abend unser Appartement in der Hauptstadt. Ein schickes Ding in einem recht neu aussehenden Hochhauskomplex mit Tiefgarage und Terrassennutzung. Wir konnten uns also selbst verköstigen. Nur den lt. unserem Vermieter Vadim angepriesenen guten Kaffee fanden wir vor Ort nicht vor. Aber wir sind immer gut ausgerüstet.
 

In diesem modernen Hochhauskomplex befand sich
unsere Anlage. Insgesamt waren es fünf Türme.

3,5 km waren es zum Spielort, einem schön klimatisierten Hotelsaal. Die üblichen 33 Grad waren in Tschechien aber sonst wieder mal allgegenwärtig. Es waren knapp 300 Leute in zwei Open, unsere Kämpfer spielten im A-Turnier. Sebastian war an Rang 46 gesetzt, es waren aber nur zwei Leute mit über 2500 Wertungspunkten dabei. Die Runden wurden immer um 16 Uhr gespielt, bis auf eine Doppelrunde am Sonntag, um auf 9 zu kommen. Bedenkzeit: Fischer kurz.

Das führte zu folgendem klassischen Tagesablauf: 16 Uhr Runde, danach Nachbereitung, Essen, vielleicht etwas Sport, Vorbereitung und Entspannung. 2 Uhr Nachtruhe. Nächsten Tag 10 Uhr hoch, Frühstück, Vorbereitung, Spaziergang etc., Essen, Entspannung und dann ab zur Partie.
 

Analyse-Arbeitsplatz am Fenster
unseres Appartements im 12. Stock.

Runden 1 - 4
Samstag - Montag

Wer mitgezählt hat: 3 Tage, 4 Runden. Ja, der Sonntag war der einzige Tag mit einer Doppelrunde. Sebastian gelangen zum Auftakt zwei klare Siege gegen Leute bis 2050. Dies sollte sich auch im Turnierverlauf nicht ändern - die schwächeren Gegner wurden recht deutlich besiegt. Hilfreich war dabei auch die jeweils gute Vorbereitung, die in Prag immer zuverlässig war. So konnte Bast z.B. in  Runde 2 gegen eine WFM ein vorbereitetes Figurenopfer auf das Brett bringen.
 
Sebastian - Laurincova
Weiß am Zug

Das ist eine wunderbare Ausgangsstellung - ab der man gerne bereit ist, eigenständig mit dem Spielen anzufangen. Aber die Vorbereitung war ja auch eigenständig. Der Gegner hat sich bereits den Kopf zerbrochen und ist eine Stunde auf der Uhr hinten, während man noch aus dem Gedächtnis spielt. Bast wählte hier Df7.

In Runde 3 wartete ein IM mit 2460 Punkten, Sebastian hatte Weiß. Es lief vielleicht nicht ganz nach Wunsch, aber auch nichts Schlimmes war passiert, als nach 18 Zügen die folgende Stellung erreicht wurde:
 
Sebastian - IM Cernousek
Weiß am Zug

Scheinbar steht Schwarz langfristig etwas besser, auch wegen seines Läuferpaares. Wenn er schon nicht besser steht, so kann er doch zumindest - zudem als besserer Spieler - hier noch lange kneten. Der Computer jedoch sieht es anders und sympathisiert eher etwas mit Weiß, etwa einen halben Bauern ist ihm die Stellung wert. Der Meister bot hier ein Remis an, was Sebastian annahm.

Es folgte ein tschechischer GM, gegen den Sebastian vor vier Jahren in Pardubice schon mal Remis gemacht hatte. Damals war der GM etwas angesäuert, da er ein paar Runden vorher, als er neben Sebastian saß, etwas von einem Wasser abbekam, was unser Kämpfer umgeworfen hatte. Nun also in Prag saß man sich wieder direkt gegenüber. Doch auch dieser Sicherheitsabstand bewahrte den Meister nicht vor einer weiteren Dusche: Bast öffnete ein Getränk, welches übersprudelte und sich auf DGT-Brett und Gegnerhose ergoss. Der Blitz schlägt also doch zweimal in dieselbe Stelle, und Bast konnte also den Meister erneut nassmachen!

Nach Säuberung des Brettes ergab sich - irgendwann - folgende Lage:
 
GM Neuman - Sebastian
Schwarz am Zug

Der GM mit Weiß hat etwas Raum, aber vielleicht sind die Bauern auch mal anfällig. Das Läuferpaar kann auch jederzeit halbiert werden. Bast hat vernünftige Züge: Sxb2 oder Sc3, mit a5 den Bauern b4 stützen oder das Zentrum anknabbern mit f6. Es folgte jedoch: 21. … c6. Will das Zentrum stabilisieren, bzw. stellt sich gegen weißes d5 auf und schränkt den Lg2 ggf. etwas ein. Nach 22. Le4 folgte dann jedoch … Dc8? Ein taktischer Klopps, der 23. Lxh7 mit Bauernverlust übersah. Nach … Kxh7 24. Dc2+ Kg8 25. Dxa4 sah es dann so aus:
 
GM Neuman - Sebastian
Schwarz am Zug

Ok, ein Bauer war weg, aber nun musste man sich auf die Hinterbeine stellen. „Misery loves company“ wussten aber bereits Bourgeois Tagg in ihrem 80er Hit I don’t mind at all, und der Oldenburger verschlimmerte hier nur seine Lage mit … f6. Nach d5 ging es dann schnell bergab. Eine Null, mit Schwarz gegen GM aber kein Beinbruch. Ob es Sebastian nichts ausmachte, weiß ich nicht, ich empfehle aber dennoch den Genuß der o.g. Perle aus dem Indie-Bereich.
 

Das Spielhotel war ein ziemlicher Klotz.
Gekämpft wurde zum Glück im Parterre.

Unser Mitstreiter Maik kämpfte am Anfang etwas auf verlorenem Posten. Er hatte viel trainiert und wollte seine Zahl nun auf ein besseres Niveau heben, aber startete mit 0,5 aus 4 gegen Leute im Bereich 2000-2100. Gerade in seiner Remispartie stand er klar auf Gewinn, aber es war immer wieder auch mal die Zeitnot, die am Ende die Ergebnisse diktierte. Hier eine interessante Stellung:
 
Maik - Bouton
Weiß am Zug

Hier geht 30. Sxa8, und wenn Schwarz auf c2 nimmt, kommt Sc7! Dies greift den Turm an, anschließend spielt Weiß Txc2 und deckt seinen Sc7. Maik nahm auch auf a8, aber fand nicht Sc7. Dies war eine Partie, die nach einem Zeitnotfehler sogar noch verloren ging.

Runden 5-7
Dienstag - Donnerstag

Diese Turnierphase wurde z.T. überschattet durch ein gesundheitliches Malheur des Managers, der sich dank der Hilfe seiner Mitfahrer und trotz des tschechischen Gesundheitssystems aber dann in der zweiten Turnierhälfte wieder auf gutem Wege befand. Sebastian gelangen in dieser Phase wieder zwei sehr deutliche Bestrafungen Erfolge gegen 2000er. Wie er das so behandelt hat, zeigt beispielsweise das folgende Partiefragment:

Sebastian - Ouaki (2004)

Dazwischen lag allerdings eine bittere Niederlage gegen einen 2300er. Sebastian hatte mit Schwarz irgendwann etwas übertrieben und stand verdächtig. Der Gegner wusste dies aber nicht auszunutzen, schließlich gab er auch noch unberechtigt eine Qualität und Bast stand auf Gewinn. Aber er spielte zu schnell und fand den Schlüsselzug nicht. Hier diese heikle Phase:

Simek (2324) - Sebastian

Über diese schwarze Null hätte sich vermutlich nur Wolfgang Schäuble gefreut. Sebastian hatte zu diesem Zeitpunkt aber immer noch ein Plus mit seinen 4,5/7. Dies wollte er aber in den beiden letzten Runden nochmal deutlich ausbauen. Die Chancen kamen…

Maik ließ sich nicht hängen in dieser Phase und erreichte drei Siege in Folge, unter anderem gegen eine WFM mit 2000 ELO. Gegen einen weiteren Gegner stand er allerdings auf Verlust, erreichte aber durch Komplikation Gegenspiel und holte den ganzen Punkt. Er war danach hart im Plus. In Erinnerung blieb mir die Partie gegen die Griechin Grapsa und die Schlußstellung:
 
Maik - Grapsa
Schwarz am Zug

Maiks Gegnerin hatte von Anfang an wilde taktische Verwicklungen gesucht und dabei auf die Rochade verzichtet. Maik bestrafte dies 30 Züge lang. Hier war nur noch ein Zug notwendig für ihn bis zur Zeitkontrolle. Schwarz zog 39. … Sxd4 und ich dachte nur „Na los, na los, Txf6+!“. Und der Zug kam dann auch schnell. Aber es gewannen auch andere Züge.
 

Blick in den Spielsaal.
Die Bretter 1-19 wurden übertragen.
Sebastian und Maik bekommen auch
am Abend nicht genug vom Schach.

Runden 8 und 9
Freitag und Samstag

Zum Ende hin nochmal eine gefühlte Doppelrunde: Freitag, 16 Uhr und dann am Abreisetag, dem Samstag, morgens um 9 Uhr. Hab ich mal erwähnt, dass ich kein Freund von Frühmorgen-Schach bin? Und dann vorher noch die Packerei. Aber wir haben es noch ganz entspannt hinbekommen. Sebastian legte Freitag noch eine späte Trainingseinheit hin und joggte zum Wenzelsplatz, auch der war nur 5km entfernt. Unter anderem musste er sich die Partie vom Nachmittag aus den Knochen laufen.

Gegen einen IM, der nur bei 2339 stand, gab es ein theoretisches Eröffnungsduell. Das System von Weiß war nicht gänzlich überzeugend, aber Sebastian musste stark spielen, um es zu widerlegen. Schließlich hatte er einfach einen Bauern mehr. Er hätte dies gewinnen sollen, zumindest war es nicht gut, dass er selber noch am Ende das Remis sicherstellen musste:

Kulhanek (2339) - Sebastian

Die Schlussrunde war dann für die Spieler doch ganz entspannt, da der Manager die Unterkunft regelte. Mit Weiß überspielte Bast seinen Gegner - aber es reichte wieder nicht, nachdem der Gegner das Spiel erfolgreich verkomplizierte. Am Ende war Sebastian in harter Zeitnot, Schwarz war nicht sehr viel besser dran in dieser Hinsicht, und es hätte noch alles passieren können:

Sebastian - Malassagne (2305)

Da wurde also am Ende noch ordentlich was vergeben von Sebastian, um das Turnier rundherum erfolgreich zu machen. Da deckt man selbst zwanzig Züge lang ein reichhaltiges Buffet und am Ende kriegt man nicht ma Las(s)agne… Maik beendete sein Turnier mit zunächst einem Remis und dann leider noch einer Null gegen Leute aus dem mittleren 2000er Bereich. Schade um die letzte Partie.

Nach 4 Stunden war der Samstag für uns zu Ende und es ging dann zurück nach Deutschland. Die Rückfahrt war unproblematisch, trotz der 100km Baustelle auf der A2. Am frühen Abend hatte uns Norddeutschland wieder.

Fazit

Ein eigentlich gelungenes Turnier. Format war bewährt, eine Runde pro Tag, schnelle Auslosungen, gute Unterkunft (selbst ohne Vadims berühmtem Kaffee). Bis auf die Gebrechen des Managers kann man höchstens nochmal auf die Performance schauen: Sebastian spielte viermal gegen schwächere Gegner (1900 - 2050), diese wurden klar vom Brett genommen. Kurzremis gegen 2460 - ok. Schwarze Null gegen GM, wenn auch einer mit nur 2380 - passiert. Aber in drei Partien Leute aus dem Bereich 2300 - 2350 waren zum Teil klare Gewinne drin, und daraus konnte nur ein mageres Pünktchen gewrungen werden. Das ist der Ansatzpunkt in der Partieanalyse. Dennoch blieb für Sebastian ein Plus von etwa 20 Punkten, auch wenn er sich noch etwas mehr gewünscht hat.

Maik konnte zufrieden sein. 35 Punkte Zuwachs hieven ihn erst mal wieder über 1800, und da gehört er definitiv auch hin. Auch die nächste Hunderterstufe sollte eine Hürde sein, die er meistern kann. Die kämpferische Komponente stimmte bei ihm, er ließ sich weder nach einem schlechten Start entmutigen und auch nicht in schlechten Positionen.

Hier noch wie immer der Link zur offiziellen Seite: Link

frank modder, 17.08.2020
 

Sebastian und ich an Brett 1.